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GhanaAgbogbloshi
Leben und Arbeiten auf Europas Müllkippe
Auf der größten Schrottdeponie Afrikas "Old Fadama"
Foto: Andrea Werner

Schon von Weitem sehen wir die schwarzen Rauchwolken. Die Luft verändert sich. Es riecht unangenehm, wird stickig. Wir schätzen uns glücklich, noch, denn die Klimaanlage läuft im komfortablen Taxi. Links und rechts der Straße ein unglaubliches Gewusel. Neben allen Sorten von Obst und Gemüse werden Schuhe, Kleider, Spielsachen verkauft. Die Gesichter wirken bedrückt. Wir sehen kein Lächeln. Müll liegt überall. Kleinkinder sitzen darin. Mit dem Auto ist kaum ein Vorwärtskommen.

Wir sind mitten drin, mitten in Ghanas Hauptstadt, nahe der Küste, im Stadtteil „Agblogboshi“ – ein Armenviertel, ein Slum. Unser Ziel: die größte Schrottdeponie Afrikas, auch bekannt unter dem Namen „Old Fadama“ oder „Sodom“, siehe auch Dokumentation www.welcome-to-sodom.de. Hier fährt niemand freiwillig hin, hier lebt niemand freiwillig. Hier wird man geboren. Hier arbeitet man aus lauter Verzweiflung, weil es keine anderen Möglichkeiten gibt.

Mit bloßen Händen, ohne jeglichen Arbeitsschutz, zertrümmern und verbrennen Frauen und Männer, manchmal auch Kinder, hier Europas Elektrogeräte. Mit den gewonnenen Metallen verdienen sie ihren Lebensunterhalt. Die Folgen sind verheerend. Menschen, Tiere, Luft und Böden sind besorgniserregend mit Schadstoffen belastet. Daher zählt die Deponie zu den zehn verseuchtesten Umweltbrennpunkten der Welt. Die Lebenserwartung der Menschen liegt bei 40 Jahren. (www.umweltbundesamt.de)

Unser Besuch diente der Evaluierung eines Projektes, welches die Stiftung Nord-Süd-Brücken im Jahr 2017 finanziert hat. Im Rahmen der Förderung wurde unter anderem eine Entmantelungsmaschine gekauft, welche kostenlos von den Schrott-Sammlern genutzt werden kann. Ziel ist es, das Verbrennen der Kunststoffummantelungen einzudämmen. Gleichzeitig sollten die Arbeiter gesundheitlich untersucht und beobachtet werden.

Vor Ort kamen wir mit Vertretern von den lokalen NGO´s, der Sustain Lives International und der „Greater Accra Scrap Dealers Association“ ins Gespräch. Wir saßen mittendrin - kein komfortables Büro im schicken Bürogebäude. Die NGO´s beantworteten die Fragen von Michael Kreuzberg zum Projektverlauf und waren offen für Hinweise, um eventuelle zukünftige Projekte effektiver zu gestalten. Dabei sollte Aufklärungskampagnen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Umringt von Schrott, es wirkte surreal auf uns, ein eingezäuntes, neues Gebäude und ein eingezäunter Fußballplatz. Ein großes Schild weist auf den Hintergrund. Die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und das BMZ (Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) haben hier zusammen mit dem MESTI (Ministerium für Umweltschutz, Wissenschaft, Technologie und Innovation) des Landes Ghana das Ziel, die Rahmenbedingungen für eine nachhaltigere, umweltgerechte Entsorgung und Recycling von Elektroschrott in Ghana zu verbessern. Ein Schritt, ein langer Weg, eine Aufgabe für Jahrzehnte, aber keine Lösung für diejenigen, die täglich vor Ort sind. Unsere Gesprächspartner berichteten, dass im Gebäude von der GIZ finanzierte Entmantelungsmaschinen stehen, deren Nutzung jedoch kostenpflichtig ist. E-Schott-Sammler nutzen diese daher nicht. Uns erschloss auch der saubere, gefegte Fußballplatz nicht. Welche Kinder, welche Erwachsenen möchten unter den Bedingungen Fußball spielen??? Es blieben Fragen im Raum.

Bemerkenswert ist auch, dass das MESTI verhindert hat, dass die NGO aus dem Nord-Süd-Brücken-Projekt ihre Entmantelungsmaschine aus Deutschland zollfrei einführen durften. Überhaupt ist bei vielen Projekten in Ghana zu kritisieren, dass sich die Regierung nur unzureichend um die Probleme zum Beispiel in den Bereichen Umweltschutz, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheit und Bildung bemüht.